Tränen nach der Wut (Staffel 1/ Folge 3)
- Luna Silber
- 11. Juni
- 4 Min. Lesezeit
In Folge 2 von Lian und das Land der Lichter (bis Folge 4 Milo) spürt Lian das hinter der Wut aus der letzten Folge noch ein anderes Gefühl steckt. Traurigkeit. Lest hier, wie Milo damit umgeht.
Hallo du. Schön, dass du wieder da bist. Willkommen im Land der Lichter.
Erinnerst du dich?
Heute ist der Tag nach Milos großem Wuttag. Denn beim letzten Mal als wir uns gehört haben, war Milo sehr wütend. Die Wut war wie ein riesiger Drache, der ihn fast überrollt hätte.
Gestern war so vieles zu viel. Streit mit seinem Freund und die Stimmen seiner Eltern waren laut geworden.
Nicht direkt böse — aber angespannt, hektisch, unruhig.
Mama und Papa sprechen oft aneinander vorbei, und manchmal wird es dann einfach laut.
Milo hatte all die Wut herausgelassen: gestampft, aufs Kissen geschlagen, dann tief geatmet und am Ende seine Wut als feuerspeienden Drachen gemalt.
Traurigkeit: das Gefühl hinter der Wut
Heute fühlt es sich anders an.
Doch manchmal, wenn die Wut leiser wird, taucht plötzlich ein anderes Gefühl darunter auf. Dieses Gefühl schauen wir uns heute an.
Es ist wieder einer dieser Tage, an denen Milo von Mama zu Papa wechselt.
So ist es bei ihm seit einiger Zeit: Mal lebt er bei Mama, mal bei Papa.
Milo packt seinen kleinen Rucksack.
Sein Kuschelhase kommt mit.
Immer.
Mama hilft ihm noch mit dem Reißverschluss seiner Jacke.
Sie lächelt ihn an. Doch Milo spürt trotzdem:
Irgendwas liegt noch in der Luft.
Nicht schlimm. Aber spürbar.
Kurz bevor sie losfahren, telefoniert Mama mit Papa.
Die Stimmen sind leise, angespannt.
Nicht böse. Nicht laut.
Aber Milo spürt trotzdem, wie schwer das manchmal für alle ist.
Leben mit dem Wechselmodell
Mama bringt ihn im Auto.
Die Fahrt ist still.
Die Welt draußen zieht vorbei: Bäume, Häuser, Straßenlaternen.
Sein Bauch wird schwer.
Wie ein kleiner Stein, der in seinem Magen liegt.
Nicht, weil er nicht zu Papa will.
Er mag Papa.
Und Mama.
Aber die ganze Situation — das Hin und Her, das Wechseln, der Streit — das ist einfach manchmal anstrengend
Sie sind bei Papa angekommen. Mama lächelt.
„Hab eine schöne Zeit bei Papa, mein Schatz.“
Milo nickt.
Papa wartet schon an der Tür.
„Hey Großer! Komm rein.“
Er nimmt Milo in den Arm, ein wenig unbeholfen.
Milo drückt sich kaum an Papa.
Seine Gedanken kreisen.
Leise flüstert es in seinem Kopf:
„Mama ist bestimmt traurig.
Vielleicht warst du gestern zu wütend.
Vielleicht bist du einfach zu schwierig.“
Milos Augen werden feucht.
Ein kleiner Tropfen kullert seine Wange hinunter. Erst einer, dann noch einer. Dann ein kleiner Sturzbach.
Plötzlich sieht er durch die Tränen etwas. Einen Lichtpunkt. Ein Leuchten.
Wie winzige, funkelnde Sterne. Sie flackern, sie tanzen.
Als wollten sie ihn trösten. Milo hat sie schon öfter gesehen.
Immer dann, wenn seine Gefühle stark werden.
Doch heute ist es anders.
Die Funkenwesen zeigen sich. Ein erstes Mal.
Sechs kleine Lichtwesen schweben sanft um ihn herum — jedes in einer anderen Farbe.
Sie formen sich in seiner Fantasie.
Er sieht sie um sich herumtanzen. Irgendwie tröstlich.
So klar und deutlich, als ob sie wirklich da wären.
Ein warmes, goldweißes Licht kommt ihm am nächsten: Hope.
Es flackert auf, bevor es leise flüsterte:
„Es ist in Ordnung, traurig zu sein, Milo.
Gefühle dürfen da sein.
Und du bist nicht allein.“
Papa bemerkt Milos Tränen.
Er kniet sich zu ihm herunter.
„Magst du Mama kurz anrufen?“, fragt Papa leise.
Milo nickt.
Sie telefonieren kurz.
Mama sagt am Telefon:
„Ich weiß, es ist gerade ein bisschen schwierig. Auch wenn es gerade schwer ist: Ich bin immer für dich da. In Gedanken halte ich deine Hand. Ich hab dich ganz fest lieb.“
Als Milo auflegt, setzt sich Papa neben ihn aufs Sofa.
Für einen Moment ist es ganz still.
Dann legt Papa vorsichtig seinen Arm um Milo.
„Du musst nichts sagen, mein Großer. Ich halt dich einfach mal fest.“
Milo schmiegt sich langsam an Papas Seite.
Die Tränen laufen noch — aber nur vereinzelt.
Milo fühlt sich erschöpft. Aber irgendwie auch leichter.
Die Funkenwesen: Milos personifizierte Gedanken und Gefühle
Die Lichtfunken verblassen, dann verschwinden sie ganz.
Milo hat sie nicht erwähnt. Papa auch nicht. Ob er sie überhaupt bemerkt hat?
Milo denkt über die Funken nach.
Und weiss plötzlich: Es sind seine Gefühle und Gedanken.
Sie werden sichtbar, wenn es ihm nicht gut geht.
Und du?
Manchmal bist du vielleicht auch traurig.
Dann hilft es, dir jemanden zu suchen, der dich einfach nur hält. Mama, Papa oder eine andere Bezugsperson.
Oder du drückst deinen Kuschelhasen ganz fest an sich.
Wie Milo es oft macht.
Und wenn Tränen kommen, dürfen sie fließen.
Magische Begleiter, die Milo dabei helfen, seine Gefühle zu verstehen und besser mit ihnen umzugehen.
Auch du hast so ein inneres Team in dir. Wie kleine Funkenwesen. Sie sprechen mit dir. Manche laut, manche leise. Manche freundlich, andere ein bisschen grummelig.Und trotzdem: Deine Funkenwesen bleiben bei dir. Und nach einer Weile wird dein Herz wieder ein bisschen leichter.
Am Abend liegt Milo in seinem Bett bei Papa. Sein Kuschelhase liegt dicht an ihn gekuschelt. Draußen scheint der Mond durchs Fenster. Die Lichtfunken sind verschwunden — aber in seinem Bauch ist es ein wenig leichter geworden. Ganz leise schließt er die Augen. Heute darf alles so sein, wie es gerade ist. Und Milo schläft langsam ein.
Das war eine neue Geschichte aus dem Land der Lichter.
Geschichten, die leuchten und Kinder stark machen.
Von Luna Silber. Für dein Herz.


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